Das Rentnerehepaar Heinz und Else erlebt den ganz normalen Alltagswahnsinn mit ihren Nachbarn am Gartenzaun. Kurzgeschichten aus der Vorstadtsiedlung zum Lesen oder Überlesen. Episode 14.
Heinz pfiff fröhlich vor sich hin, während er ein paar Zweige von der Forsythie schnitt. Die würden als Osterstrauß in die Vase kommen. Sorgfältig suchte er die schönsten aus und achtete dabei darauf, den Strauch nicht zu sehr zu verunstalten. Else war derweil im Wohnzimmer dabei, die Kartons mit der Osterdekoration auszupacken. Es würden wieder die windschiefen Eierbecher mit Entenfüßen ans Licht kommen, die sein Sohn mal in der Schule getöpfert hatte. Und die quietschbunten Holzhasen, die Heinz mit seinen Enkeln im vorletzten Jahr ausgesägt und bemalt hatte.
Hach, Ostern – Heinz liebte dieses Fest. Er war zwar nicht der religiöseste Mensch, aber Ostern bedeutete für ihn, den Neuanfang des Lebens zu feiern, den der Frühling brachte. Und die Familie. Er liebte es zu beobachten, wie täglich immer mehr Knospen im Garten aufgingen. Wie die Tage immer länger und heller wurden. Er liebte das Eierfärben und Suchen – früher mit den eigenen Kindern, jetzt mit den Enkeln. Die klassische Kaffeetafel mit dem guten Geschirr, an der sich die Familie traf (ok, dies Jahr in kleinerem Rahmen). Und natürlich mit Elses herrlich duftendem Hefezopf und dem Osterlamm. Ach ja, und das brachte ihn zu einem weiteren recht wichtigen Aspekt, warum Heinz das Osterfest stets willkommen hieß: Es beendete traditionell Elses Abnehmzeit. Es brachte das Ende der ungezählten Suppen- und Salatvariationen, des übermäßigen Bewegungsdrangs (dreimal mit der Gießkanne um den Tisch, der geneigte Leser erinnert sich vielleicht) und von Elses Ermahnungen, ER könne ruhig auch mal… Nun würde Heinz seine Schokolade nicht mehr heimlich essen müssen, er würde für das Sonntagsessen wieder einen Nachtisch machen dürfen und der Spazierweg würde wieder an der Eisdiele ein Ziel finden. Eben einfach herrlich, dieses Ostern!