Das Rentnerehepaar Heinz und Else erlebt den ganz normalen Alltagswahnsinn mit ihren Nachbarn am Gartenzaun. Kurzgeschichten aus der Vorstadtsiedlung zum Lesen oder Überlesen. Episode 8.
Für Heinz und Else war heute ein Feiertag. Einer, den sie schon beim Frühstück kaum erwarten konnten. Deshalb zogen sie sich auch etwas ganz Besonderes an. Ihre Gummistiefel nämlich, die alten Jacken, Handschuhe, Hüte. Garten-Outfit! Heute sollte der erste Tag des Jahres sein, an dem Sie endlich wieder „richtig“ im Garten werkeln würden. Ihre Vorfreude war riesig. Der Schnee war weg, die Temperaturen gestiegen, Regen gerade nicht in Sicht. Und so gab es einiges, was man schon machen konnten. Vor allem standen die ersten Schnittarbeiten auf dem Programm. Zunächst würde der Apfelbaum drankommen, an dem hier und da etwas ausgelichtet werden musste. Auch die Himbeeren und der Sommerflieder konnten jetzt ausgelichtet bzw. runtergeschnitten werden, je nach Sorte. Danach sollten die sommergrünen Gräser ihre Jahresrasur bekommen. Wenn die Beete nicht zu nass sind, könnte man auch schon eine erste Unkraut-Runde machen, denn die Wildkräuter würden die ersten sein, die bei den wärmeren Temperaturen einen Wachstumsschub bekämen. Aber bei Heinz und Else würde die Hälfte dieser Liste auf einen anderen Tag fallen müssen. Denn alles auf einmal zu wollen, das war nicht gut. Mit Übermotivation hatten Heinz und Else in ihren vielen Gärtner-Jahren so ihre Erfahrung gesammelt. Da legte man begeistert los, wühlte sich durch, fühlte sich wohl, ließ die Pause vor Begeisterung aus – und am Abend taten einem dann sämtliche Knochen weh. Und das Ende vom Lied war, dass man tagelang gar nicht in den Garten konnten, weil Muskelkater und schmerzende Gelenke ihre Pause vehement einforderten. Nein, danke, da verzichteten Heinz und Else gerne. Also machten sie nach dem Stutzen des Apfelbaumes erst mal eine Kaffeepause auf der Gartenbank. Sie räkelten ihre schon etwas steifen Glieder zurecht, hörten den Vögeln zu, die in der Hecke zwitscherten, schauten auf die Schneeglöckchen und Krokusse in den Beeten – und waren einfach glücklich. Es war alles so, wie ein Feiertag eben sein sollte.